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Friedensapostel Bach lässt Hiroshima auf Kosten sitzen

Die Trips der Spitzen des Internationalen Olympischen Komitees nach Hiroshima und Nagasaki inmitten der dramatischsten Phase der Corona-Krise in Japan stießen im vergangenen olympischen Sommer auf viel Kritik, auch unter Überlebenden der Atombombenabwürfe. IOC-Präsident Thomas Bach und Vizepräsident Joan Coates wurde vorgeworfen, sie würden damit die eigentlich absurden Ambitionen des IOC auf den Friedensnobelpreis vorantreiben wollen und so die Olympischen Spiele politisch instrumentalisieren. Übrigens auch auf finanzielle Kosten seiner Gastgeber, wie inzwischen bekannt wurde. Die Bitte um Begleichung einer Rechnung für anfallende Sicherheitsdienste für Thomas Bach in Hiroshima wies das IOC nämlich glatt zurück. Stadt und Präfektur Hiroshima mussten sich daher die Zeche von rund 30.000 Euro teilen. 


IOC-Präsident Thomas Bach wollte am aus seiner Sicht so symbolträchtigen 16. Juli unbedingt nach Hiroshima. An diesem Tag riefen die Vereinten Nationen den sogenannten Olympischen Frieden aus, der die Weltgemeinschaft zu friedvollem Verhalten inspirieren soll. Im alten Griechenland diente der Festfrieden bei großen Agonen dem sicheren Geleit der Teilnehmer. Der Besuch habe aus IOC-Sicht trotz aller Corona-Bedenken unbedingt stattfinden müssen, weil sich die "Herren der Ringe" damit selbst für den Friedensnobelpreis ins Spiel bringen wollten, hieß es in Japan selbst unter Olympiafreunden

 

Bach legte im Friedenspark von Hiroshima am 16. Juli 2021 in Begleitung von Hashimoto Seiko, der Präsidentin des Organisationskomitees für Tôkyô 2020 und vormaligen Olympia-Ministerin, und abgeschirmt von der Öffentlichkeit, einen Kranz am Atombomben-Kenotaph ab und besuchte das Peace Memorial Museum.

 

Was in ausländischen Medien bislang überhaupt nicht thematisiert wurde: bei den anfallenden Kosten für die Public-Relation-Maßnahme ließen Bach und sein IOC sowie die Organisator*innen von Tôkyô 2020 ihre Gastgeberstadt alleine. "Das IOC und das Organisationskomitee für Tôkyô 2020 wurden um Übernahme der Kosten gebeten, dies Ersuchen lehnten beide Organisationen jedoch ab", schreibt die in Hiroshima erscheinende Tageszeitung Chûgoku Shimbun (12.08.2021). Da klangen vielen Bachs Worte an der Gedenkstätte für die Atombombenopfer wie Hohn: "Es gibt keinen Frieden ohne große gesellschaftliche Solidarität (Shakai no naka de no ôku no rentai ga nakereba heiwa ha nai  社会の中での多くの連帯がなければ平和はない), wurde Bach in japanischen Medien zitiert (u.a. NHK, 12.08.2021). 

 

Das IOC wies die Vorwürfe, man habe die Gastgeberstadt Hiroshima unbotmäßig auf entstandenen Kosten für einen von niemandem sonst wirklich erwünschten Besuch Bachs sitzen lassen, über seine Medienabteilung zurück. Bach sei in Hiroshima von den lokalen Behörden eingeladen gewesen, hieß es. Planungen und Durchführung für Sicherheitsdienste bei den Spielen seien in die Zuständigkeit der lokalen Behörden gefallen, so das IOC weiter. Eine Formulierung, die tief blicken lässt zum exterritorialen Selbstverständnis Olympias, denn der Ausflug des Friedensapostels Bach nach Hiroshima war keineswegs Teil der Olympischen Spiele, sondern nach japanischen Berichten eher aufgedrängt und keineswegs erwünscht. 

 

Dass Teile des Friedensparkes am 16. Juli über Stunden für die Öffentlichkeit gesperrt waren und so das Gedenken für die einheimische Bevölkerung beeinträchtigt war, stehe nicht im Zusammenhang mit eigenen Sicherheitsanforderungen. Das IOC sei lediglich den Empfehlungen des Gastgebers gefolgt (Erklärung im englischen Wortlaut siehe unten).

 

Die Frage, ob auch aus Nagasaki eine Bitte um Übernahme anfallender Kosten für den Besuch von IOC-Vizepräsident John Coates das IOC erreicht habe, blieb in der Stellungnahme unbeantwortet.

 

Hintergrund:

China Daily, 17. Juli 2021, u.a. zu Bachs Aufruf zur Solidarität in der Gesellschaft (gilt wohl nicht gegenüber Tennis-As Peng Shuai):

https://global.chinadaily.com.cn/a/202107/17/WS60f238f9a310efa1bd662890.html

 

FAZ vom 1. August 2021 u.a. zum Bach-Besuch in Hiroshima

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/die-olympischen-spiele-in-tokio-und-die-machenschaften-des-ioc-17459867.html

 

(letzte Aktualisierung: 19.11.2021, 10:00 Uhr)

Die FAZ berichtet, dass Kajiya Fumiaki (Nachname Kajiya!) Bach seine vor wirklich interessierten Zuhörern häufig gezeigte Bildergeschichte zum Tag des Atombombenabwurfs Thomas Bach nicht wie geplant habe zeigen können, weil der IOC-Präsident dafür keine Zeit mehr gehabt habe. Jedenfalls: Das hätte Bach zu sehen und hören bekommen, wenn er sich die Zeit genommen hätte (Hochgeladen 27. April 2019): 


IOC: "Wir waren eingeladen!" - Stellungnahme vom 12.11.2021

"The IOC was invited to Hiroshima by the local authorities. Security planning and operations for the Olympic Games fall under the remit of the local authorities, which are in the best position to put in place the appropriate arrangements to ensure the Games are staged in a safe environment according to the context of each host. The IOC is following their advice and has no own requirements" (IOC, 12. November 2021).


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